Computerzeitschriften haben es heute schwer. In den Neunzigerjahren surften sie den Computer und Internet Tsunami und feierten einen Auflagentriumph nach dem anderen. Die PC Welt verlor in den letzten fünf Jahren am Kiosk 57 Prozent ihrer Auflage, die PC Praxis büßte sogar 72 Prozent ein. Besser schlug sich noch die C’t mit 45 Prozent Verlust im Einzelverkauf bei stabilem Abonnementgeschäft.
Auch Chip wurde in den letzten fünf Jahren kräftig gebeutelt: am Kiosk fast halbiert (minus 43 Prozent), bei den Abos minus 19 Prozent. Durch „sonstige Verkäufe“ konnte man die Gesamtverkäufe mit minus 18 Prozent bei 330 Tausend Heften fast stabilisieren und in der Reichweitenumfrage der MA sogar auf 1,65 Millionen Leser wachsen.
Am 4. Februar 2011 erschien die erste iPad Ausgabe der Chip; innerhalb der kostenlosen App kann eine Schnupperausgabe und die komplette Märzausgabe zum Preis von 1,59 € geladen werden. Der März Content ist 500 MB schwer. Lohnt sich der Kauf?
Die App ist gut! Sie lässt sich geschmeidig bedienen und stürzte im Test nie ab. Aufmacher ist ein Artikel zur Cebit; dann folgen angesagte, wenn auch nicht mehr ganz heiße Themen: wann denn nun die Facebook – Blase platzt, ob der Cyberkrieg droht, wie wichtig Wikileaks und wie kompliziert der neue Personalausweis ist. Das und vieles mehr ist kurz gefasst, lesbar und aus meiner Sicht absolut sein Geld wert. Schön ist auch die inhaltliche Teilung in „Lesemodus“ (vertikal) und „Showmodus“ (horizontal), die dem Kippverhalten des iPad inhaltliche Bedeutung verleiht.
In der App finden sich viele Weblinks, erstaunlicherweise aber keiner zu Chip online – und auch keine Möglichkeit, schnell einen Leserbrief zu schreiben.
Für die iPad Ausgabe wurden zusätzlich „13 neue Apps im Einzeltest“ und „die besten iPad Tricks“ hinzugefügt – leider nicht gerade tiefschürfend. Im Übrigen schreibt das Heft über die gewohnten Themen: Gadgets und Gerätetests, viele Tipps zu Windows XP, Vista und 7, Hilfe zu Microsoft Office, Hardwaretipps zu Scannern, Routern, Notebooks und TV Geräten. Die mitgelieferte Software (es gibt eben kein Computermagazin ohne CD…) erzeugt bei iPad Nutzern Stirnrunzeln – sie gibt per „Downloadticket“ Windows Software frei – übrigens gegen Bekanntgabe der Mail Adresse.
Es wird also ganz klar der Apple Zusteiger bedient, der neben seinem iPad einen Windows PC benutzt.
Das absolute Highlight ist für mich der Kameravergleich „Wer filmt am schönsten“. Neben detaillierten Testdaten sind Beispielvideos in Vollauflösung enthalten, die mit den getesteten Kameras gedreht wurden. Spätestens jetzt wird klar, dass ein Print Magazin mit einer solchen Anwendung einfach nicht Schritt halten kann – ein solcher Artikel auf dem iPad ersetzt vollkommen das Ausprobieren im Laden.
Etwas fehlt jedoch der Chip App: ein aktueller Newsbereich, wie ihn etwa die „Welt HD“ mitführt. So wird der Chip App Leser genau das machen, was die ganze Printbranche und damit auch die gedruckten Computermagazine zum Wanken bringt: er wird seinen Browser öffnen und im Internet aktuelle Nachrichten und die neuesten Downloads finden.