Das eBook und die Buchpreisbindung

eBooks, die in Deutschland verlegt werden, fallen unter die Buchpreisbindung. Der Verleger muss einen Preis festsetzen, den kein Händler verändern darf. Nach Auskunft des Justiziars des Börsenvereines, Dr. Christian Sprang, darf der Verleger den Preis seines Buches jederzeit verändern, so lange er an allen Verkaufsstellen der gleiche ist: „Preis­bin­dung heißt also nur, dass je­des Buch min­des­tens 18 Mo­nate lang übe­r­all das­selbe kos­tet, nicht, dass es 18 Mo­nate lang den­sel­ben Preis hat.“ (Aktualisierung: 13.1.2012)

Die Buchpreisbindung soll das Kulturgut Buch schützen – für den Leser bleibt damit laut Gesetzgeber eine breite Literaturpalette in einem weit gefächerten Buchhandel erhalten. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels setzt das elektronische Buch einer gedruckten Ausgabe gleich, obwohl sich das digitale Biotop in wesentlichen Punkten von der stofflichen Welt unterscheidet – und eine Preisbindung durch das „Agenturmodell“ der großen eBook – Händler faktisch gegeben ist.

Laut einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Prognos im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Kultur aus dem Jahre 2001 überwiegen die Vorteile einer Buchpreisbindung: Hebt man sie auf, werden Bestseller billiger – aber der Lesestoff in kleineren Auflagen verteuert sich. Lokale Autoren hätten kaum noch eine Chance gegen die internationale Konkurrenz. Gleichzeitig bieten große Händler günstigere Preise an, was die Vielfalt im Buchhandel verringert, da kleine Läden solche Rabatte nicht geben können. Trotzdem entschied sich die Deutschschweiz 2007, die Preisbindung für Bücher abzuschaffen. 2011 wurde kam sie wieder, da sich Verleger und Buchhändler gemeinsam für die Wiedereinführung einsetzten. Im März 2012 wird eine Volksabstimmung zu diesem Thema stattfinden.

Der Börsenverein und die Preisbindung in Deutschland

Hüter der deutschen Buchpreisbindung ist der Börsenverein des deutschen Buchhandels. Auf diesen altehrwürdigen Verband geht die Preisbindung zurück: In den achziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts bekämpfte der Verleger und Buchhändler Adolf von Kröner den wachsenden Buchversandhandel, der mit Kampfpreisen die lokalen Buchhändler unterbot. Diese „Buchschleuderer“ sorgten für einen derartigen Preisverfall bei Büchern, dass dadurch laut Kröner „Schriftsteller, Bücherverkäufer und Verleger gleichermaßen“ schwere Nachteile erfuhren. 1887 erreichte Kröner eine Vereinbarung zwischen Verlegern und Buchhändlern, 1888 wurde die Preisbindung festgelegt, 1958 gesetzlich verankert und zuletzt 2002 im Bundestag als „Buchpreisbindungsgesetz“ beschlossen.

Besuchte man Anfang Januar 2012 die Website des Buchhändlers Thalia, las man „Achtung Preisrutsch!“ und fand die Hardcover Ausgabe von Dan Browns „Das verlorene Symbol“ (Bastei Lübbe Verlag, 2009), angeboten für unschlagbare 2,99 €. Gleichzeitig kostete dieses Buch bei Amazon noch die gewohnten 26,- €. Weltbild bot das Buch für 4,99 € an. Wie kann das im Buchpreisbindungsland sein?

Bastei Lübbe hat für dieses Buch die Preisbindung aufgehoben; laut Gesetz darf er das achtzehn Monate nach Veröffentlichung tun. Der Verlag muss die Buchhändler darüber auf den „Gelben Seiten“ des Börsenblattes informieren, jeder Händler darf dann das Buch in der Wühlkiste anbieten. Der Buchhändler hat in diesem Fall aber auch ein „Remissionsrecht“, das heißt, der Verlag muss die Bücher auf Anfrage zurücknehmen.
Entscheidet sich der Verleger hingegen, den Preis eines Buches zu erhöhen, ist eine Veröffentlichung über die „Gelbe Beilage“ nicht erforderlich. Schlecht für den Buchhändler, der davon nichts mitbekommt und das Buch weiter zum aufgedruckten (und nun niedrigeren) Preis verkauft: Es drohen Abmahnung und damit verbunden Anwaltsgebühren.

(Aktualisierung vom 12.1.2012: Auf Grund einer Twitterdiskussion möchte ich bemerken: wo ein Gesetz, da Ausnahmen. „Periodische Ausgaben“, die vor Ablauf der 18 Monate veraltet sind, oder „bestimmte Ereignisbücher“ (man denke an ein „Fußballjahr 2011“) können vorzeitig als „Ausnahmefälle“ „verramscht“ werden, wie der Börsenverein so schön sagt. Falls ein Buchhändler sein Geschäft aufgibt, darf er ebenfalls die Bücher maximal 30 Tage lang „verramschen“, bei denen der zugehörige Verlag die Rücknahme verweigert. Übersetzt auf das eBook hieße das: falls Amazon sein Geschäft aufgibt, muss er mich fragen, ob ich mein eBook zurücknehme; wenn ich das verweigere, darf er es einen Monat lang zu einem beliebigen Preis verschleudern…)

Rekapitulieren wir: „Buchschleuderer“ vernichten den Wert der Bücher und sind damit für Autoren, Verleger und Händler gleichermaßen schädlich. Hätte ich als Buchhändler jetzt hundert Exemplare „Das verlorene Symbol“ im Lager, müsste ich sie an Lübbe rücksenden oder zu einem Zehntel des Preises verramschen: In jedem Fall wäre es eine Wertvernichtung, die sich auch in der Bilanz auswirkt.

Was bedeutet die Preisbindung für ein eBook?

Die gedruckte Ausgabe eines „Dan Brown“ ist endlich: Ist das letzte Buch der letzten Auflage verkauft, findet man es nur noch „preisungebunden“ im Antiquariat.
Anders verhält es sich beim eBook, das als eine Form von Druckvorlage in unendlicher Stückzahl zur Verfügung steht. Geht man beim Papierbuch davon aus, nach 18 Monaten würde sowieso nur noch eine Restauflage bestehen, die verbilligt abverkauft werden muss, ist das digitale Buch zu diesem Zeitpunkt so verfügbar wie am ersten Tag.

Die großen eBookhändler Amazon und Apple, die in Deutschland wahrscheinlich siebzig Prozent des eBook – Marktes abdecken, verfolgen das „Agentur-Modell“. Dazu kam es, nachdem Amazon vor einigen Jahren elektronische Bücher unter Einkaufspreis „verschleuderte“, um sein Kindle Lesegerät zu pushen. Die US Verlage verbündeten sich mit dem iPad-Newcomer Apple und bedrängten Amazon, die Preisfestlegung den Verlagen zu überlassen, um das Geschäft mit dem Papierbuch nicht zu gefährden. Hier ähnelt das internationale eBook Absatzmodell also der deutschen Preisbindung – mit dem Unterschied, dass nach 18 Monaten weder Amazon noch Apple ein eBook verramschen werden, auch wenn der Verlag die Preisbindung aufheben will: denn sowohl Amazon als auch Apple verlangen vom Verlag immer eine exakte Preisvorgabe.

In allen „Long Tail“ Geschäften führen drei wichtige Marketingmaßnahmen zu mehr Verkäufen: Werbung für das Produkt außerhalb des Shops, Werbung innerhalb des Shops sowie Rabattaktionen. Betrachtet man die Strategien erfolgreicher Verleger in USA, kann man oft eine Sägezahnkurve ausmachen, die vor allem durch Preisanpassungen erzeugt wird. Verringert der Verleger den Preis seines Buches, steigt es im Verkaufsrang an, bis er wieder den alten Preis einsetzt. In der Spitze des Sägezahns verdient der Verleger sein Geld. Dieser Vorgang ist – entgegen der Meinung, die in vielen Foren vertreten wird – auch in Deutschland erlaubt.

Der deutsche eBook Verleger muss nur Sorge tragen, dass sein Buch bei allen Händlern stets gleich viel kostet – der Verlag muss sein Buch allen Händlern zum gleichen Preis abgeben und die Händler müssen sich an diesen Preis halten. Doch auch Amazon achtet genau darauf, ob der Preis eines bei ihm verlegten eBooks auch in allen anderen Shops (etwa Apples iBook Store) gleich ist. Wird ein eBook beispielsweise bei Apple billiger, verlangt Amazon ebenfalls eine Preisanpassung – führt der Verleger die nicht durch, wird das eBook automatisch herabgesetzt oder sogar völlig aus dem Verkauf genommen. Für deutsche Selbstverleger, die über Amazon KDP direkt publizieren, und für den Zugang in Apples Bookstore einen US-Dienstleister wie Smashwords nutzen, kann das durchaus herausfordernd werden: Smashword passt den Preis aufgrund von Währungsverschiebungen selbstständig an, so dass eine Preisungleichheit zu Amazon über Nacht passieren kann.

Einzig das „Kindle Select“ Modell erlaubt das Verschenken von Büchern innerhalb eines festgelegten Zeitraumes – der Autor ist damit aber an Amazon gebunden und darf sein Werk in keinem anderen Shop anbieten. Das Verschenken eines Buches durch einen Händler ist auch unter Preisbindungsbedingungen gestattet – so lange er das Gratisbuch nicht an den Kauf eines preisgebundenen Buches „koppelt“ und damit den vom Verlag festgesetzten Preis des anderen Buches unterläuft.

Links: Stellungnahme des Börsenvereins zur Preisbindung von eBooks (PDF), Prognos Studie zur Buchpreisbindung in der Schweiz (PDF), Beschlussantrag zum Buchpreisbindungsgesetz des Deutschen Bundestages (PDF), FAQ zur Buchpreisbindung des Börsenvereines, Artikel bei Phantanews zum Thema Buchpreisbindung mit komplettem Zitat des Justitiars des Börsenvereines

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