Reader‘s Digest ist eines der ältesten lebenden Magazine der Welt – Wallace DeWitt (1889 – 1981) konzipierte das Heft während der Genesung von einer Weltkriegsverletzung, die er sich 1918 in Frankreich zugezogen hatte. Inzwischen 89 behauptet sich die »Mutter aller Magazine« mit einer weltweiten Auflage von heute 17 Millionen und nach Eigenangabe siebzig Millionen Lesern. Das hundertdreiundzwanzigjährige »National Geografic« kommt dagegen nur auf neun Millionen Auflage.
In den letzten Jahrzehnten erlebte Reader‘s Digest eine wechselvolle Geschichte und verlor auch einiges an Verbreitung; vor allem in den Industriestaaten gab die Auflage trotz teilweise aggressiver Abowerbung nach.
2010 rutschte die US Auflage von davor acht auf jetzt 5,5 Millionen. In Deutschland verkaufte Reader‘s Digest in den Neunzigerjahren 1,5 Millionen Hefte monatlich, 2010 waren es noch siebenhunderttausend.
Am 18. Januar 2011 erschien die Februar Ausgabe der US Version von Reader‘s Digest erstmals auf dem iPad. Das Heft kostet 2,99 $ und wartet mit gewaltigen 400 MB an Daten auf. Beim ersten Durchwischen kommt die Erinnerung: ja, so ist und bleibt Reader‘s Digest wohl für ewige Zeiten. Christlich und konservativ, viele klinisch saubere Witze, Sachen zum Schmunzeln vom US Militär, Gesundheitstipps für die 45 plus Generation, dazu viel Hoffnung, Glück und Wissen in kompakter Form.
Es handelt sich um eine insgesamt zurückhaltende und exakte Umsetzung des Print Heftes. Ann Powell, Chefredakteurin von Reader‘s Digest, spricht von »Wired« als Vorbild einer gelungenen iPad-Magazinumsetzung. Wohl deshalb wird die reife Leserschaft nicht vor elektronischem Firlefanz bewahrt: Will man das Magazin öffnen, drängt sich ein bildschirmfüllender Film einer brutzelnden Speckschwarte vor und entlässt den Leser plump auf das nicht animierte Cover.
Interaktion bietet ein zickig animierter Globus mit Umfrageergebnissen aus aller Welt (»Wem erzählst du deine Geheimnisse«) sowie ein Wissenstest zu Fremdworten – der leider kein Ergebnis rechnen kann und den Leser nötigt, die richtigen Antworten herkömmlich zusammenzuzählen. Die Anzeigenseiten der Print Ausgabe sind als reine Bilder eingestreut und enthalten keine Links zu den Herstellern.
Das Heft lässt sich nur hochkant lesen; dafür ist die Navigation einfach und übersichtlich gestaltet. Für die Umsetzung von Print und der iPad Edition wird K4 und Adobe DPS eingesetzt.
Diese Produktionsweise führt wieder einmal zu einem Print Klon auf dem Pad: Interaktionen wie etwa Bewertungen oder Leserbriefe werden (wie so oft) auf die Website umgeleitet und wirken sich nicht auf das iPad Magazin aus – das erneuert sich im sturen Monatsrhythmus parallel zum Papierprodukt.
Das Dilemma der Verlage, die ihre Print Produktion in den letzten Jahren teuer auf ein hohes technologisches Niveau gehoben haben, liegt darin, dass gerade diese Investitionen die Kluft zwischen Online und Print vertiefen. Wann wird es ein iPad Magazin geben, das die journalistische und grafische Qualität von Print und mit den interaktiven Mögklichkeiten von Online sinnvoll vereinigt?