Am 27. Februar 2010 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 8,8 das südamerikanische Land Chile, am 10. März folgte ein zweites, etwas schwächeres Beben. Im August 2010 brannten in Russland 9000 Quadratkilometer Wald, die größte Naturkatastrophe, die Russland je getroffen hat.
Chile gehört wie Russland zu den Hauptausfuhrländern von Zellstoffen, die dann in Europa, vor allem in Spanien und Portugal, unter finnischer Regie zu verschiedenen Papiersorten weiterverarbeitet werden.
Stärker als Naturkatastrophen wirken aber am Rohstoffmarkt die Krisen, die der Mensch selbst verursacht: Typischerweise fallen die Rohstoffpreise mit den großen Börsencrashes und steigen im Wachstum fröhlich an. So kostete eine Tonne Zeitungspapier in der Spitze der Dot-Com Blase 2001 bereits über 600,- € und fiel mit deren Zerplatzen kräftig ab. 2009 hatten sich die Preise wieder auf etwa 550,- € / Tonne erhöht und purzelten 2010 auf unter 400 €. Seitdem geht es mit den Papierpreisen wieder munter bergauf. Im ersten Chart sehen Sie die Entwicklung der Preise für Holz- und Zellstoff, die als Rohstoff für Papier benötigt werden und damit eine Grundlage für die Entwicklung des Papierpreises darstellen:
Drei nordeuropäische Unternehmen beherrschen den Papiermarkt: die schwedische Holmen, die norwegische Norske Skog und die finnischen Stora Enso und UPM Kymmene. Diese Konzentration ergibt sich aus der Klemme, in der auch die Papierindustrie steckt: Zellstoff und Energie verteuern sich und gleichzeitig sinkt der Preis für Druckerzeugnisse auf den Märkten. In diesem Dilemma zerreiben sich insbesonders die Hauptabnehmer von Zeitungspapier, die Druckereien, die zur Zeit oft in einem Überlebenswettbewerb stehen. Die Skandinavier drängen 2011 auf weitere Preissteigerungen, die Tonne Papier soll noch in diesem Jahr um weitere 25 Prozent steigen. Das würde den Preis pro Tonne auf etwa 500 Euro anheben.
Auch Fukushima treibt die Papierpreise
Im zweiten Chart, das ich aus Daten des Statistischen Bundesamtes erstellt habe, würde der Index „100“ für 2005 etwa 470 € pro Tonne bedeuten. Bis August 2011 ist der Preis rasant auf etwa 525 € gestiegen – was für Druckereien und Verlage eine große Herausforderung bedeutet: Bei sinkenden Auflagen und einer immer noch schwierigen Anzeigensituation steigen die Grundpreise für die Printproduktion. 2011 macht sich zusätzlich der steigende Energiepreis bemerkbar, der nicht zuletzt auf die Japankatastrophe zurückzuführen ist.
Springer überlegt deshalb laut Handelsblatt, in Russland eine eigene Papierproduktion hochzuziehen. Aus ökologischer Sicht ist das ein Unterfangen, das allerhand Fragen aufwirft: in Russland wird abgeholzt – „zertifizierte Waldflächen“ gibt es dort kaum.
Was aber kann die Print – Medienindustrie tun?
Wirtschaft regelt sich selbst durch Angebot und Nachfrage. Das hat Adam Smith im achtzehnten Jahrhundert gesagt, und das gilt bis heute. Tendenziell werden steigende Energiepreise die (extrem energieaufwändige!) Zellstoff- und Papierproduktion weiter verteuern. Sicherlich sinkt in den Industrieländern der Papierverbrauch allein dadurch, dass Zeitungsauflagen bröckeln und mehr Menschen eBooks lesen. Aber gleichzeitig steigt der Holzverbrauch in den Schwellenländern unaufhörlich. Wenn ich in die Glaskugel sehe (und meine letzte Tankrechnung betrachte), kann ich nur vermuten: tendenziell wird Papier noch teurer.
Unseren Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlagen bleiben deshalb vor allem weitere passive Reaktionen:
– weitere Preiserhöhungen der Zeitungen, Zeitschriften und Bücher
– Verringerung der Umfänge
– gezielte Auflagenreduktion (Streichung wenig profitabler Verkaufsstellen, was bedeutet, dass kleine Kioske das Produkt nicht mehr führen und damit die potentielle Reichweite sinkt)
– Sparmaßnahmen an anderer Stelle (etwa weitere Stellenstreichungen in den Redaktionen)
(Dieser Artikel wurde am 22.11.2011 aktualisiert!)
Quelle: Statistisches Bundesamt, finanzen.net