Es ist ein lauer Juniabend im verzauberten Park von Schloss Pienzenau in Meran. Unter dem dichten Blattwerk hundertjähriger Bäume, untermalt vom leisen Plätschern eines Brunnens und sanft aus versteckten Lautsprechern chillender Ambient Music, treffe ich Rainer Schölzhorn, Buchhändler, Unternehmer und Querdenker.
Rainer betreibt in zweiter Generation die „Buchhandlung Alte Mühle“ in der beliebten Kurstadt im Herzen Südtirols: „Natürlich kaufen auch meine Kunden bei Amazon und natürlich werden sie auch eBooks lesen. Ich als Buchhändler freue mich darüber, wenn mehr gelesen wird. Denn das belebt auch mein Geschäft mit Büchern aus Papier.“
„Wirklich?“, wende ich ein, „wenn ich mich erinnere, was mp3 und iTunes aus dem Plattenmarkt und dem guten alten Musikladen gemacht haben…“
„Der Massenbuchmarkt wird sicher immer mehr zu den großen Drei: Amazon, Apple und Google übergehen. Das trifft die Buchhandelsketten wie Thalia oder Hugendubel besonders. Letztendlich verkaufen die ihre Bücher vor allem über einen reinen Standortvorteil und ein elektronisch optimiertes Massensortiment. Das aber kann ein Google oder Amazon besser. Da der Point of Sale im Massenbuchmarkt sich immer mehr in den PC, das Kindle oder das iPad hinein bewegt, sieht die Zukunft für Superbuchmärkte sicher nicht rosig aus.“
„Aber der Buchhändler um die Ecke wird im Geschäftsmodell von Apple oder Amazon überhaupt nicht berücksichtigt!“
„Amazon ist auf das Produkt ‚Buch‘ gestoßen, weil es als einzige Produktgruppe eine weltweit einzigartige Identifikation über die ISBN-Nummer und den Strichcode ermöglicht. Das Buch ist sozusagen algorithmisch fassbar und kann in Datenbanken organisiert werden. Amazon hat das brillant gelöst und dadurch das Buch immens aufgewertet: es wird heutzutage viel mehr gelesen als etwa vor zwanzig Jahren. Und wenn in der Konsumwelt die Bedeutung eines Textes allgemein wächst, werde auch ich mehr Bücher verkaufen.“
„Obwohl der Point of Sale sich in den Kindle verschiebt? Dein Buchladen hat doch im Kindle keinen Platz?!“
„Auf der einen Seite steht der datenbankgestützte Buchvertrieb über hochentwickelte Systeme, der letztendlich zu elektronischen Büchern führt, weil damit auch der Buchbesitz des Endkunden Teil des Vertriebskonzeptes wird. Der sortimentbewusste Händler bewegt sich dagegen außerhalb dieses automatisierten Marktes. Er kennt seine Kunden persönlich, er kann Nischen besetzen. Vom mp3 ist auch nicht der hoch spezialisierte Musikladen verdrängt worden, sondern ein Generalist wie Whom. Wenn heute der Lesemarkt insgesamt wächst, dann wächst auch meine Nische.“
„Und wie wappnest Du dich für die nächsten Jahre?“
„Wir gehen noch mehr auf unsere Kunden ein, wir etablieren unsere Buchhandlung als Mittelpunkt einer lokalen Lesewelt. Wir wollen ein Netzwerk für Kulturhungrige bieten, eine Andockstelle für alle, die sich dem immer wichtigeren Thema ‚lebenslanges Lernen‘ nicht mehr entziehen können. Konsumenten brauchen Feedback, sie wollen auch ganz persönlich wahrgenommen werden. Gerade haben wir das erste Buch eines lokalen Autors selbst verlegt und bauen uns damit auch eine völlig eigenständige Kompetenz auf.“
„Ein vom Buchhändler selbst verlegtes Buch? Das gibt es dann sicher nicht bei Amazon …“
„Doch, warum denn nicht? Meine Kunden kommen persönlich in das Geschäft. Aber wir wollen das Buch unseres Autors ja auch weltweit anbieten, da bedienen wir uns selbstverständlich der Möglichkeiten unserer Zeit!“
Inzwischen ist die Sonne untergegangen, die Flasche Rotwein aus dem Saft eigener Reben halb leer. Ich tippe die Rohfassung dieses Interviews in mein iPad.